Mein Name ist Elsa Terhoch und ich bin sieben Jahre alt. Ich gehe mit meinen beiden Schwestern Ilse Lina und Lore auf die jüdische Schule. Heute habe ich beschlossen, mit dem Schreiben eines Tagebuchs zu beginnen, denn es ist etwas Schönes passiert.
Wir waren wie immer in der Schule und dann sollten wir mit unserem Lehrer Manfred Höxter nach draußen gehen. Wir begannen ganz unerwartet eine Turnstunde. Schließlich sollten wir alle eine bestimmte Position einnehmen und dann wurde der schöne Augenblick mit einem Foto festgehalten. Heute war ein schöner Tag, denn wir haben mal etwas anderes gemacht und uns wurde Hoffnung geschenkt. Hoffnung darauf, dass immer etwas Tolles passieren kann, vor allem dann, wenn man nie damit rechnen würde. Ich hoffe, wir wiederholen es eines Tages noch einmal. Außerdem wurde mir mit der Turnstunde Hoffnung darauf geschenkt, dass ich eines Tages einmal reiten kann. Das wünsche ich mir schon immer, aber wir haben leider kein Geld dafür. Eigentlich haben wir für kaum etwas Geld. Es sind schwere Zeiten hier in Lünen. Pferde sind so tolle und hübsche Tiere. Ich kann sie leider immer nur von weitem beobachten. Aber irgendwann wird mein Traum in Erfüllung gehen.
Als meine Schwestern und ich heute nach Hause kamen, gab es etwas Leckeres zu essen. Es gab mal wieder Fleisch, denn Fleisch gibt es immer nur, wenn noch genügend Geld da ist. Wir als Juden essen auch nur koscheres Fleisch, das sind Tiere, die zweigespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind. Alle anderen Tiere sind für uns verboten. In der jüdischen Schule lernen wir etwas über die Heiligkeit. Die Speisegesetze erziehen uns zur Herrschaft über unsere Gelüste, sie gewöhnen uns daran, aufkeimende Wünsche zu unterdrücken, ebenso auch die Neigung, die Freude am Essen und Trinken als Zweck des menschlichen Daseins anzusehen. Das Fleisch muss geschächtet werden, denn es gilt das Verbot des Blutgenusses, das bedeutet, dass das Blut vor dem Verzehr aus dem Tier geflossen sein muss. Es gibt einen Schochet hier in Lünen.
Meine Eltern haben mir erklärt, wie das Schächten passiert und wie ich das gehört habe, ist mir der Hunger auf Fleisch vergangen. Die Tiere tun mir so leid, denn ihnen werden einfach die Halsschlagader, Luftröhre und Speiseröhre durchgeschnitten.
Ich habe für mich entschieden, dass ich nur noch Fleisch esse, wenn ich es wirklich benötige und hinzu kommt, dass wir es uns sowieso kaum leisten können. Meine Eltern sollten das Geld besser für mich zum Reiten sparen.
Elsa Terhoch am 02.09.1932 (Lünen)Celina, Schülerin der Einführungsphase FSG Lünen